Worte zum Advent
von P. Willibald Hopfgartner OFM

1. Adventsonntag
im Konvent der Elisabethinen in Graz

November 29, 2020

Liebe Schwestern und Brüder in der Gemeinschaft des Glaubens,

Am Anfang unseres Gottesdienstes haben wir den Adventkranz gesegnet und die erste Kerze entzündet. Es ist der Beginn unseres Weges hin zum großen Fest der Geburt des Herrn. Ein Fest beginnt ja nicht erst am Tag, wo es gefeiert wird. Man geht darauf zu: mit dem Herzen blicken wir voraus – und mit den Händen bereiten wir vor, was nötig ist. Das gilt in besonderer Weise für Weihnachten. Wir wollen ja nicht unvermittelt hineinstolpern in das Fest, das uns erwartet: wo wir feiern, Gott wird Mensch, er kommt zu uns.

Seit es den christlichen Glauben gibt, bringt dieses Fest Himmel und Erde in Einklang. Kaum einmal sonst stimmt der Mensch einer Wahrheit des Glaubens so spontan zu wie an Weihnachten. Der Apostel Paulus hat es uns mit seinem Wort gesagt: In diesem Fest erscheint die Treue Gottes zum Menschen, die über alles menschliche Widerstreben hinweg aufrecht bleibt.

Wir sehen an Weihnachten besonders deutlich, was uns die Bibel immer wieder zeigt: den Blick auf die Welt aus der Perspektive Gottes. Und das heißt: aus der Perspektive seiner Liebe. Gott sieht die Schwachheit des Menschen, seine Ansprüche und sein Scheitern, die leichte Verführbarkeit, seine äußere und innere Armut, den Egoismus und die Sturheit, wenn er teilen oder Vergebung schenken soll.

Aber es gibt ja trotz allem den – wie wir sagen – „guten Kern“ im Menschen, den Gott sieht und der ihn anzieht, weshalb er mit ihm Erbarmen hat und ihn in sein Reich führen möchte. Ein wunderschönes Wort, schon aus dem Alten Testament, drückt es so aus: „Es ist meine Freude, bei den Menschen zu sein“ (Spr 8,22). Der „gute Kern“ im Menschen ist der Grund der Treue Gottes. An den glaubt Gott, noch viel mehr als wir selbst. Nie wurde uns das schöner gezeigt als im Gleichnis Jesu vom verlorenen Sohn.

Die Treue Gottes hat ein Merkmal: die Demut. Sie offenbart sich immer wieder neu im Leben seines Sohnes Jesus Christus. Das beginnt schon mit der Geburt im Stall von Bethlehem, sie zeigt sich in der Geduld mit seinen streitsüchtigen Gegnern, in der liebevollen Unterweisung seiner Jünger und in der Unterwerfung unter sein manipuliertes Todesurteil.

Die Demut Jesu nachahmen, darin lag auch das Lebensprogramm der der beiden Heiligen, die in dieser Kirche besonders präsent sind. Wir sehen es bei der hl. Elisabeth, der Namensgeberin dieser Ordensgemeinschaft, von der einige vor 330 Jahren aus Aachen nach Graz gekommen sind. Von Burg und Thron der Fürstin war Elisabeth hinabgestiegen in die Hütten der Armen und Aussätzigen. Denn sie hatte vom hl. Franziskus gehört und wollte seine Nähe zu den Armen nachahmen. Und von ihm wiederum haben wir das Wort, mit dem er seinen Brüdern den Weg der Demut aufgetragen hat, und sie auf die Krippe und den Altar der Eucharistie hingewiesen hat: „ Seht Brüder, seht die Demut Gottes!“

Das Beispiel dieser beiden Heiligen konkretisiert in gewisser Weise die Mahnung Jesu aus dem heutigen Evangelium: „Bleibt wachsam!“ Wir könnten sagen: Lasst euch nicht, besonders in dieser Zeit nicht, vom Weg der Demut abdrängen. Der gute Kern in uns braucht, damit er wirksam werde, die Demut. Und erst durch sie wird der Advent zu einer guten Zeit, zu einem guten Weg hin zum Fest und zu einem guten Miteinander. Amen