Vortrag zur Barmherzigkeit
Don Dr. Paolo Renner

Vollversammlung
der Vinzenzgemeinschaft
am 12.06.2021

Juni 30, 2021

BARMHERZIG WIE DER VATER

Die vier Dimensionen der Barmherzigkeit:

Don Paolo Renner

1) MIT UNS SELBER

Gründet in der Barmherzigkeit Gottes zu den Menschen: Misericordiae Vultus
Ex 34,4-11: Jahwe ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld
und Treue. Er bewahrt Tausenden Huld, verfolgt die Schuld an der dritten und
vierten Generation.

„Hab Geduld in allen Dingen, vor allem aber mit dir selbst“ (Franz von Sales)
„Die Wurzel alles Bösen in der Welt, ist der Mangel an Selbstliebe“ (Thomas v Aquin)

  1. Meide die harte Selbstkritik und zeige mehr Selbstmitgefühl
  2. Habe Verständnis für deine Fehler und Ängste: alle haben sie
  3. Habe Geduld mit dir selber
  4. Lobe dich
  5. Schenke dir manchmal ein Lächeln
  6. Pflege dich, wie ein guter Freund

(Selbstliebe ist noch keine Selbstsucht)

Lk 13,6-9: „Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum, der drei Jahrelang keine Früchte brachte. Der Besitzer wollte ihn fällen aber der Weingärtner
erwiderte: „Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum
aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass
ihn umhauen“.  Nicht Eile braucht der Mensch, sondern Hoffnung.

2) GEGENÜBER UNSEREM NÄCHSTEN

Eph 4,1-6.17-32: .Ich ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig
ist, der an euch erging. Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in
Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren, ein Herr, ein
Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in
allem ist.  17: Lebt nicht mehr wie die Heiden in ihrem nichtigen Denken!
Haltlos wie sie sind, geben sie sich der Ausschweifung hin, um voll Gier jede Art von
Gemeinheit zu begehen. Das aber entspricht nicht dem, was ihr von Christus gelernt
habt. ( … ) Legt den alten Menschen ab, der in der Verblendung und Begierde
zugrunde geht, ändert euer früheres Leben, und erneuert euren Geist und Sinn! Zieht
den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer
Gerechtigkeit und Heiligkeit. Legt deshalb die Lüge ab, und redet untereinander
die Wahrheit.  Lasst euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne
soll nicht über euren Zorn untergehen! Gebt dem Teufel keinen Raum!  Jede Art
von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung und alles Böse verbannt aus eurer
Mitte! Seid gütig zueinander, barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch
durch Christus vergeben hat.“

Barmherzig werden = Reifeprozess, der aus der Befreiung von der Angst entsteht
Das Beispiel Jesu

Hos 6,6: „Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer.“

3) ZU DEN FERNSTEHENDEN

„Fratelli tutti“

Die Kirche als Kontrastgesellschaft, in der Macht der Barmherzigkeit.
Lk 6,27-36: „Ich sage euch: Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch hassen.
Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Dem, der dir
auf eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel
wegnimmt, lass auch das Hemd.   Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso
auch ihnen. Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Danke erwartet ihr
dafür? Auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden. Und wer ihr nur
denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch
die Sünder. Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch
wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. Dann wird euer Lohn gross sein, und ihr werdet
Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und
Bösen. Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“

Jes 2,2ff: „Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn
steht fest gegründet als höchster der Berge;  zu ihm strömen alle Völker. Viele
Nationen machen sich auf den Weg; sie sagen:  der Herr zeige uns seine Wege,
auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn,
aus Jerusalem sein Wort. Er spricht Recht im Streit der Völker.  .. dann schmieden sie
Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht
nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.“

4) GEGENÜBER DEN KOMMENDEN GENERATIONEN

Mt 23,23ff: „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gebt den
Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz außer Acht:
Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue. Man muss das eine tun, ohne das andere
zu lassen.“
Die Barmherzigkeit, kein Zeichen von Schwäche, sondern eine zukunftsweisende Macht.

Mt 5,3ff:
.Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig, die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit; denn sie werden satt
werden.

Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden: denn ihnen gehört das
Himmelreich.

Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt werdet. Freut
euch und jubelt: euer Lohn im Himmel wird gross sein.“

Ps. 136 und Jesus vor seinem Leiden: Zukunft durch Barmherzigkeit

Caritas in Veritate

Die Verhaltensmuster, nach denen der Mensch die Umwelt behandelt, beeinflussen die
Verhaltensmuster, nach denen er sich selbst behandelt, und umgekehrt. Das fordert die
heutige Gesellschaft dazu heraus, ernsthaft Ihren Lebensstil zu überprüfen, der in vielen
Teilen der Weit zum Hedonismus und Konsumismus neigt und gegenüber den daraus
entstehenden Schäden gleichgültig bleibt.  Notwendig ist ein tatsächlicher
Gesinnungswandel, der uns dazu anhält, neue Lebensweisen anzunehmen, »in
denen die Suche nach dem Wahren, Schönen und Guten und die Gemeinschaft
mit den anderen Menschen für ein gemeinsames Wachstum die Elemente sein
sollen, die die Entscheidungen für Konsum, Sparen und Investitionenbestimmen.

Jede Verletzung der bürgerlichen Solidarität und Freundschaft ruft
Umweltschäden hervor, so wie die Umweltschäden ihrerseits Unzufriedenheit in den sozialen
Beziehungen auslösen.      Die Wüsten der modernen Zeit ..

Laudato Si‘
Der Begriff des Gemeinwohls bezieht auch die zukünftigen Generationen mit ein.
Die internationalen Wirtschaftskrisen haben in aller Härte die schädlichen Auswirkungen
gezeigt, welche die Verkennung eines gemeinsamen Schicksals mit sich bringt. Ohne eine
Solidarität zwischen den Generationen kann von nachhaltiger Entwicklung keine Rede mehr
sein. Wenn wir an die Situation denken, in der der Planet den kommenden Generationen
hinterlassen wird, treten wir in eine andere Logik ein, in die des freien Geschenks, das wir
empfangen und weitergeben. Wenn die Erde uns geschenkt ist, dann können wir nicht mehr
von einem utilitaristischen Kriterium der Effizienz und der Produktivität für den individuellen
Nutzen her denken. Wir reden hier nicht von einer optionalen Haltung, sondern von einer
grundlegenden Frage der Gerechtigkeit, da die Erde, die wir empfangen haben, auch jenen
gehört, die erst noch kommen.

Wir könnten den nächsten Generationen zu viel Schutt, Wüsten und Schmutz
hinterlassen. Der Rhythmus des Konsums, der Verschwendung und der Veränderung der
Umwelt hat die Kapazität des Planeten derart überschritten, dass der gegenwärtige
Lebensstil, nur in Katastrophen enden kann, wie es bereits geschieht.
Der postmoderne Mensch läuft ständig Gefahr, zutiefst individualistisch zu
werden, und viele soziale Probleme sind mit dem gegenwärtigen egoistischen Immediatismus
verbunden.  Oft wird ein unmittelbarer und übertriebener Konsum der Eltern den eigenen
Kindern zum Schaden, die es immer schwerer haben, ein eigenes Haus zu erwerben und eine
Familie zu gründen. Unsere Unfähigkeit, ernsthaft an die zukünftigen Generationen zu
denken, geht überdies mit unserer Unfähigkeit einher, die aktuellen Interessen auszuweiten
und an jene zu denken, die von der Entwicklung ausgeschlossen bleiben.

Die letzte Zukunft: Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht. (Jak 2,13)